Immer wieder gibt es Verwirrungen und Missverständnisse, wenn es um Homematic IP und den Unterschieden zu Homematic geht. In diesem Artikel sollen einige dieser Punkte näher beleuchtet werden. Dabei gehe ich ebenso auf den angeblichen Cloudzwang sowie auf die verwendeten Funkstandards ein.
Inhalt
Was ist Homematic?
Das ältere der beiden Systeme wird mittlerweile auch „Homematic Classic“ genannt.
Die (offizielle) Zentrale heißt CCU (Central Control Unit), welche es aktuell in der Version 3 gibt, die CCU3. Es ist jedoch auch der Betrieb mit einem LAN-Gateway, einem CUL und ähnlichen Geräten möglich. Dabei muss es nicht einmal die originale CCU als Gerät als solches sein. Mittels USB-Funkstick HmIP-RFUSB*, welcher auch BidCoS kann oder einer LAN/USB/*-Adapterplatine von Alex Reinert und dem Original-Funkmodul kann die CCU* auch virtualisiert (LXC, Docker-Container, VM) oder mittels RaspberryMatic auch auf einem Raspberry Pi, einem NUC oder auch NAS eingesetzt werden. Das ermöglicht eq3 durch das freie OCCU-SDK.
Davon abgesehen, hat sich die CCU-Oberfläche seit vielen, vielen Jahren nicht wesentlich geändert und ist für Einsteiger nicht wirklich empfehlenswert. Ich rate daher, die CCU nur als physische Schicht zur Einbindung und Direktverknüpfung der Geräte zu verwenden und die Logik in einem moderneren Broker wie Node-RED oder HomeAssistant zu erstellen.
Ein Fernzugriff war bereits optional möglich. Dabei kamen kostenpflichtige Cloud-Dienste ebenso zum Einsatz wie der VPN-Zugriff über seinen eigenen Router.
Für eine App-Steuerung kann man auf Drittanbieter zurückgreifen, wovon es einige gibt. Die Homematic IP-App ist nicht kompatibel.
Der Funkstandard BidCoS
Die Homematic Classic Geräte kommunizieren per „Bidirectional Communication Standard“, kurz BidCoS. Dieser Funkstandard arbeitet im frei benutzbaren ISM-Band auf 868MHz. Die gesendeten Funktelegramme werden vom Empfänger bestätigt, was die Funktionssicherheit gegenüber einfachen 433MHz-Baumarktsteckdosen erhöht.
Was ist Homematic IP?
Die Produktlinie Homematic IP ist eine Weiterentwicklung von Homematic Classic und kam im Sommer 2015 auf den Markt. Dabei wurde hauptsächlich die neue einfache Bedienung und Konfiguration über die App und damit der Cloudbetrieb propagiert.
Als primäre Zentrale dient der Access Point, welchen es auch als WLAN-Variante gibt. Die App ist dabei besonders einsteigerfreundlich gehalten und ermöglicht nur, ich sage mal „Basis-Funktionalitäten“.
Weniger bekannt und oft falsch angegeben ist, dass Homematic IP-Geräte auch mit einer CCU betreibbar sind. Damit hat man ähnlich detaillierte Einstellungsmöglichkeiten wie bei den Geräten der Homematic Classic-Linie. In den Experteneinstellungen kann man sich dann auch noch die Bits zurechtbiegen.
Mittels Advanced Routing kann eine erhöhte Ausfallsicherheit und Funkreichweite erreicht werden. Sollte ein AccessPoint ausfallen, so übernimmt ein Backup-Access Point dessen Funktionen, inkl. der Verbindung zur Cloud. Mittels mehrerer Access Points kann die Reichweite auch in größeren Gebäuden erhöht werden. An einer CCU angeschlossen, kann der Access Point als LAN-Router fungieren und auch dort die Funkreichweite erhöhen. Seit neuestem nutzen die Geräte dazu den am Besten erreichbaren Router. Zuvor wurde der erst benutzt, wenn wirklich gar keine Verbindung zustande kam.
Anders als vielleicht bei anderen Anbietern werden in der Homematic IP-Cloud, bis auf Deine IP-Adresse, keine personenbezogenen Daten gespeichert noch sind sie für die Einrichtung oder den Betrieb notwendig. Ich habe mir den LAN-AccessPoint unter Sicherheitsaspekten mal näher angesehen und die Ergebnisse in einem Artikel bei technikkram.net veröffentlicht.
Vielfach wird bemängelt, dass Homekit nicht direkt verfügbar ist. Das liegt daran, dass Homekit eine lokal ansprechbare Bridge vorraussetzt. Der AccessPoint hat jedoch keine lokale Schnittstelle, anders als der Smarthome Controller von Bosch. Eine Homekit-Steuerung kann daher nur über ein Drittsystem realisiert werden.
Es gibt noch einen weiteren Hersteller, der Homematic IP-kompatible Produkte anbietet: Möhlenhoff mit Alpha IP. Die Geräte enthalten eq3-Technik, haben meist einen helleren Farbton und melden sich in der CCU* sowie am Access Point als Homematic IP-Geräte. Jedoch funktioniert nicht immer ein Update der Firmware, so beim 2-Fach-Taster.
Die Bosch-Geräte enthalten teilweise auch eq3-Technik, sind jedoch zum Homematic IP-System inkompatibel.
Der Funkstandard Homematic IP
Das Funkprotokoll Homematic IP bringt einige Änderungen und auch Verbesserungen gegenüber dem BidCoS-Protokoll mit sich. Unter anderem ist die Kommunikation nun grundsätzlich verschlüsselt (AES-128 und CCM), was einen längeren Payload zur Folge hat. Es funkt auf mehreren Frequenzen und nutzt Bündelungen, womit mehrere Geräte gleichzeitig angesprochen werden können, was die Ausnutzung des DutyCycle optimiert.
Desweiteren basiert das Protokoll auf IPv6, womit eine eindeutige Adressierung über Teilnetze hinweg möglich ist. Denkbar für die Zukunft wäre, dass dadurch über einen anderen Applikationslayer eine Kooperation mit Mattergeräten möglich wird. Aktuelle Anstrengungen dahingehend sind mir jedoch nicht bekannt.
Diese Änderungen bedingten auch ein neueres Funkmodul, weshalb die CCU1 nicht kompatibel war. Mittlerweile ist auch die CCU2 abgekündigt, so dass neue Geräte nicht mehr für diese Basis verfügbar sind.
Weiterhin können aufgrund dieser Inkompatibiltäten keine Direktverknüpfungen zwischen Geräten der Homematic Classic-Linie und Homematic IP erstellt werden – jedwede Kommunikation muss zwangsläufig über die CCU gehen.
Fazit
- Beide Systeme lassen sich mit einer CCU lokal und ohne Cloud betreiben.
- Eine Appsteuerung gibt es nur für Homematic IP inklusive, wenn man die AccessPoints benutzt.
- Das neuere Homematic IP ist keinesfalls auf die App- und Cloudnutzung beschränkt und kann ebenso als Profisystem betrieben werden. Eine Migration vom AccessPoint ist jedoch mit dem Aufwand des Ab- und Anlernens sowie der Programmerstellung verbunden.
- Aus meiner Sicht würde ich beim Einstieg nicht mehr in Homematic Classic investieren. Für die meisten Geräte gibt es ein Äquivalent im Homematic IP-Universum.
- Advanced Routing bietet für Homematic IP eine gewisse Ausfallsicherheit und erhöht zudem die Funkreichweite.